Von Paul Sens, Chefredakteur des Volleyball TrainerPortals
„Wir leben nun seit Wochen in der Pandemie. Jeder Einzelne von uns hat sein Leben den neuen Bedingungen anpassen müssen, privat wie beruflich. Jeder von uns kann berichten, was ihm oder ihr besonders fehlt, besonders schwerfällt. Und ich verstehe, dass dieses Leben unter Coronabedingungen allen schon sehr, sehr lange vorkommt. Niemand hört es gerne, aber es ist die Wahrheit: Wir leben nicht in der Endphase der Pandemie, sondern immer noch an ihrem Anfang.“
Angela Merkel
Mit dieser Vorsicht und Überlegtheit, mit der Angela Merkel am 23.04.2020 abermals an die deutsche Politik und das deutsche Volk appellierte, führt uns unsere Frau Bundeskanzlerin seit Beginn durch die Corona-Pandemie. Mittlerweile stellt sich Deutschland als eines der wenigen Länder dar, die mit dem neuartigen Virus sehr gut klarzukommen scheinen. Es ist unserem System sogar möglich geworden, erste Einschränkungen für die eigene Bevölkerung und, in Zusammenarbeit mit dem DOSB und seinen Leitlinien, den Spitzensport zu lockern. Eine Entwicklung, die nun den ersten Vereinen der Volleyball Bundesliga die Möglichkeit einer Wiederaufnahme des Trainingsbetriebes eröffnet.
Am 12. März 2020 versetzte das Corona-Virus unseren geliebten Sport in eine nie dagewesene Schockstarre. Dieses abrupte Ende, das der Bundesliga zum ersten Mal in ihrer Historie verwehrte, einen Meister zu küren und Vereine daran hinderte, Zuschauereinnahmen zu generieren und laufende Kosten zu decken, stürzte viele Clubs in sehr turbulentes Fahrwasser. Drei Vereine der Volleyball Bundesliga verkündeten bereits ihren Rückzug, mindestens einer davon unmittelbar wegen finanzieller Auswirkungen durch die Corona-Krise.
Die Zukunft unseres Sports steht bislang in den Sternen. Auf Nachfrage des Volleyball TrainerPortals erklärte Michael Evers, Präsident der Volleyball Bundesliga, es sei „zum jetzigen Zeitpunkt nicht auszuschließen“, dass es bei negativer Entwicklung in der Corona-Pandemie keine Volleyball Bundesliga 2020/2021 gebe. Der frühestmögliche Start, so Evers, sei im Oktober 2020 denkbar.
Dennoch wird die Politik vom Spitzensport dazu gedrängt, den Trainingsbetrieb wieder aufnehmen zu lassen. Immerhin ist der Körper eines Athleten sein Kapital und er muss jederzeit in guter körperlicher Verfassung bleiben, auch über diese ungewisse Pause hinweg. So sind zehn Leitlinien durch den DOSB entstanden, unter deren Berücksichtigung eine Wiederinbetriebnahme des Trainings möglich ist. Doch wie weit sollten wir unsere gesellschaftspolitische Verantwortung, unsere ethischen und moralischen Regeln, auch bezogen auf den Schutz unserer Athleten, dafür ausreizen? Um diese Frage zu beantworten, muss die Gesamtwirkung von Covid-19 auf unseren Sport und die Teile der Gesellschaft, die unmittelbar mit ihm in Beziehung stehen, betrachtet werden.
Diese Grafik des SWR zeigt die Abhängigkeit aller Bundesligen von verschiedenen Faktoren. Auffällig hierbei ist, dass die Finanzierung der Volleyball Bundesligisten zu mehr als drei Vierteln aus Sponsorengeldern finanziert wird. Da die finanzstärksten Marktteilnehmenden die große Fußballbühne suchen, bleiben für das Sponsoring der deutschen Volleyballwelt eher selten große Marken und überwiegend regionale, mittelständige Unternehmen. Eben diese Unternehmen, deren Absagen es momentan, hoffentlich nur vorübergehend, bei den Profivereinen hagelt.
Um unsere finanziellen Freunde und Unterstützer weiterhin an unserer Seite zu wissen, müssen wir also hoffen, dass wir so schnell wie möglich in annähernd normale Arbeits- und Wirtschaftsverhältnisse zurückkehren können. Aus diesem Grunde werden die ersten Lockerungen, infolge unseres bisherigen verantwortungsbewussten Handelns, beschlossen, um eben diesen Betrieben und Firmen einen allmählichen Arbeitsalltag zu ermöglichen. Deshalb ist eine Arbeitsaufnahme dort existenziell und sollte auch in unserem Interesse sein. Jetzt eröffnet sich die Frage, ob wir unseren Spielern und Spielerinnen, die auch mit normalen Arbeitsverträgen ausgestattet sind, eine Wiederaufnahme der „Arbeit“ aufzwingen. Hierbei sollte man folgende Punkte berücksichtigen, um verantwortungsbewusst sowohl mit unseren eigenen Athleten und Athletinnen als auch in Hinsicht auf die Ausbreitung des Virus zu handeln:
- Wann kann eine neue Saison starten?
Unter Anbetracht der normalen Umstände ist davon auszugehen, dass die Saison standesgemäß zwischen Anfang und Mitte Oktober starten wird. Dementsprechend sollte sich jeder Verein eindringlich überlegen, ob in dieser schweren Krise ein obligatorisches Training vor Juli angesetzt werden muss. Auch unter Beobachtung der oben aufgeführten wirtschaftlichen Situation unserer Unterstützer sollten wir deshalb überlegen, ob wir als Sportler, die einen Trainingsstart ohne weiteres herauszögern können, wirklich das Risiko einer weiteren Verbreitung eingehen müssen. Wir gefährden die Situation mit einem Trainingsbetrieb inklusive An- und Abreise unserer Spieler und Spielerinnen nur zusätzlich und bei Wiederausbruch des Virus somit auch den potenziellen Start einer Saison oder die Existenz eines Vereins. Damit einher gehen Arbeitsplätze, die verloren gingen. Genau dieser Entwicklung können wir jetzt also entgegenwirken. - Wo befinden sich unsere Athleten?
Wenn sich unsere Sportler in der Stadt und seit Beginn der Pandemie im Kontaktverbot befinden, so kann man sie sicherlich, sofern es ordnungsgemäß geregelt ist, unter bestimmten Bedingungen trainieren lassen. Dazu zählt ein ausreichend garantierter Abstand zwischen den Athleten und die Desinfektion aller Sportgeräte und Spielmaterialien. Hierbei sollten wir allerdings auch die individuellen Befindlichkeiten unserer Spieler und Spielerinnen berücksichtigen. Wir haben es mit einer ernstzunehmenden Krankheit zu tun, die Unbehagen erzeugen kann. Deshalb sollten wir unsere Sportler im Moment keinesfalls dazu zwingen, einem Trainingsbetrieb mit anderen Personen beizuwohnen. Befinden sich unsere Spieler im Ausland, sollte man hier doch die Variante bevorzugen, sie nicht einfliegen oder -fahren zu lassen. Hier gilt es abermals, die Situation, in der wir uns alle befinden, nicht zu verschärfen. Auch deutsche Sportler, die sich in weit entfernten Bundesländern aufhalten, müssen berücksichtigt werden. Lassen wir sie einreisen und für ein verlängertes Wochenende wieder dorthin abreisen, riskieren wir wieder eine weitere Ausbreitung. - Können unsere Sportler an ihren Aufenthaltsorten unter guten Bedingungen trainieren?
Als verantwortlicher Verein sollte man unter diesen Voraussetzungen auch überprüfen, ob meine Sportler auch an dem Ort, an dem sie sich derzeitig befinden, unter vernünftigen Bedingungen trainieren können. Vielleicht ist es nie angebrachter gewesen, in dieser Ausnahmesituation das Leitbild der Volleyball Bundesliga zu leben: „HOME OF RESPECT. Wir punkten mit Respekt und Gemeinschaft.“ Vielleicht kann jeder Verein überlegen, unter den in ihrem Bundesland vorherrschenden Bedingungen Training für jedweden Bundesligaathleten anzubieten, ob männlich oder weiblich, ob vereinsangehörig oder für den ärgsten Rivalen. So werden Reisen zwischen Bundesländern und eine unnötige Kontaktierung minimiert.
Die gesamte Volleyballwelt, von der Kreisklasse bis hin zur Volleyball Bundesliga, sitzt derzeit im gleichen Boot. Wir alle arbeiten daran, unseren geliebten Sport in der kommenden Saison weiter betreiben zu können. Mit einem verantwortungsbewussten Umgang, den unsere Bundeskanzlerin uns allen vorlebt, können wir ihn hoffentlich planmäßig weiter betreiben. Angelehnt an die Worte Frau Merkels ist ein Appell an Vereine, Vorstände und Trainer mehr als angebracht.
Unser Sport ist nicht existenziell für die deutsche Wirtschaft. Unsere Liga beginnt frühestens im Oktober 2020. Ein obligatorisches Training ist derzeit nicht erforderlich und gefährdet nur die gute Entwicklung, in der sich die Bundesrepublik Deutschland befindet.
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