Die Annahme zählt in vielen Trainingsphilosophien zu den wichtigsten, wenn nicht zu dem wichtigsten Spielelement. Dabei stellt diejenige Annahmetechnik, die im Erwachsenen- und Profibereich beherrscht werden muss, nicht automatisch die beste Technik für eine(n) Nachwuchssportler/In dar. Während im Erwachsenenbereich durch Rotationsaufschläge oder scharfe Flatteraufschläge die Annahmespieler/Innen fast ausschließlich leicht mit den Schultern arbeiten, nimmt die Schärfe der Aufschläge sukzessiv ab, je niedriger das Alter der Sportler wird. So muss in der U12, U13 und teilweise in der U14 dem Ball sogar noch Energie gegeben werden, damit der/die Annahmespieler/In den ankommenden Ball an den Zuspielort spielen kann. Die Annahme besitzt hier also beinahe die Charakteristik einer Dankeball-Annahme.

Was eine Dankeball-Annahme ausmacht

Wenn ein Dankeball gespielt wird, fliegt er in der Regel mit einer gemäßigten bis langsamen Geschwindigkeit und einer mittleren bis hohen Flugkurve über das Netz. Das bedeutet, dass die Sportler folgende Technik anwenden sollten, um den Ball zum gewünschten Ort zu spielen: Die Beine sollten leicht in Schrittgrätschstellung gebracht werden, damit ein stabiler Stand gewährleistet wird, wobei das dem Ziel nähere Bein leicht vorne steht. Das Gewicht ruht auf eben diesem Bein, von dort kommt nämlich beim Spielen des Balles ein leichter Impuls, indem das Bein leicht gestreckt wird.

Steht das dem Ziel entfernte Bein vorne, kann der Ball nicht über die Schulter gespielt werden. Das widerspricht der natürlichen, menschlichen Bewegung.

Eine gute Orientierung stellt das Buch „Volleyball Training & Coaching“ von Jimmy Czimek dar. Der dort beschriebene Kniewinkel vor dem Spielen beläuft sich dort auf 130 Grad und ändert sich beim Kontakt auf 160 Grad. Dieser Winkel dient als gute Grundlage. Es sollte dennoch auf die natürlichen und individuellen Voraussetzungen der einzelnen Athleten geachtet werden. Das Spielbrett muss vor dem Spielen des Balles bereits zum Zielort ausgerichtet sein, die Daumen dienen hierbei quasi als „Joystick“ und zeigen in Richtung des Zielortes. Danach erfolgt die bereits beschriebene leichte Streckung des Beins, auf dem das Gewicht ruht und zusätzlich ein Impuls aus den Armen, um dem Ball die benötigte Energie zu geben.

Sowohl ein Schlagen mit den Armen als auch eine zu starke Streckung mit den Beinen sind nicht erwünscht.

Die Mischung aus beiden Bewegungen zusammen ergibt das gewünschte Resultat.

Unterschiede zur Annahme

Je schärfer und schneller der Aufschlag ins Spiel gebracht wird, umso mehr ändert sich diese Annahmetechnik, da dem/der Annahmespieler/In die Zeit fehlt, sich perfekt zum Ball auszurichten und die Beine optimal zu positionieren. Außerdem besitzt der ankommende Ball je nach Alters- und Spielklasse mehr und mehr eigene Energie, sodass eine Ganzkörperstreckung nicht mehr notwendig ist. Der Kniewinkel von 130 Grad sollte also auch beim Spielen nicht mehr verändert werden. Vielmehr ist entscheidend, dass die Beine stabil auf dem Boden stehen, wobei das Gewicht leicht auf den Vorderfüßen ruht.

Es wird keine Zeit mehr geben, das dem Ziel nahe Bein in Front zu stellen. Außerdem wäre die Vorgehensweise auch nicht ratsam, da das Spielbrett unter hohem Zeitdruck bei dieser Beinstellung schwer auszurichten wäre!

Unter eben diesem Zeitdruck bleibt, wenn überhaupt, die Möglichkeit, mit den Beinen zum Ball zu arbeiten und das Spielbrett auszurichten. Dabei bewegen sich die Athleten mit Nachstellschritten zum Spielort, um die Knie- und Hüftwinkel in Höhe von 130 Grad nicht zu verändern (dient wieder nur der Orientierung, ist individuell immer leicht unterschiedlich) und die Stabilität zu erhalten. Währenddessen werden die Arme dort zum Spielbrett gebildet, wo der Ball gespielt werden soll.

Der Grundstein für die Bundesliga wird in der U12 gelegt

Der Winkel zwischen den Armen und dem Oberkörper beträgt, wie bei Jimmy Czimek sehr gut beschrieben, hierbei etwa 90 Grad.

Es bleibt keine Zeit, die Hände erst vor dem Körper zusammenzuführen und dann zur Seite, dafür ist der Aufschlag auf hohem Niveau viel zu schnell. Deshalb sollte darauf bereits in der U12 geachtet werden.

Es darf nicht vergessen werden, dass auch bereits bei diesem Vorgang der „Joystick“ in Richtung des Annahmeortes ausgerichtet wird. Es erfolgt zum Ende ein leichtes Steuern mit den Schultern. Bei harten Sprungaufschlägen muss gegebenenfalls gedämpft, bei Flatteraufschlägen in der Regel leicht geschoben werden. Wichtig ist, dass sich nie die Knie- und Hüftwinkel oder der Winkel der Arme zum Spielort verändern. Umgangssprachlich bedeutet das, dass die Sportler/Innen nicht beim Annehmen aufstehen dürfen. Bei der Annahme langer Bälle, muss der Körper seitlich geöffnet werden, damit man den Ball noch gut spielen kann. Dafür wird das Bein auf der Seite, auf der der Ball den Körper passieren würde, nach hinten geöffnet. Je nach Länge des Aufschlages wird mit Nachstellschritten die Distanz zum Ball geschaffen. Knie- und Hüftwinkel müssen hierbei gegebenenfalls aufgelöst werden, um den Ball noch spielen zu können.

Es sollte vermieden werden, das hintere Bein anzuheben, da ansonsten die Stabilität im Körper nicht mehr gegeben ist.

Zudem müssen die Athleten versuchen, den Ball trotzdem vor der Schulterachse zu spielen, um ihn nicht nach hinten zu verlieren. Die Ausrichtung des Spielbretts und das Schließen der Arme am Spielort spielen hierbei eine essenzielle Rolle.

Bild 1: Frontale Annahme von Greta Szakmáry

Im Bild 1 sieht man eine gute technische Ausführung der frontalen Annahme bei Greta Szakmáry. Die Knie- und Hüftwinkel zeigen ungefähr 130 Grad, der Winkel zwischen Armen und Oberkörper ist ungefähr rechtwinklig. Das Spielbrett und der „Joystick“ sind geneigt und zeigen in Richtung des Zuspielorts. Lediglich das Gewicht scheint nicht auf den Vorderfüßen zu liegen.

Bild 2: Seitliche Annahme von Jennifer Geerties

Bild 2 zeigt eine seitliche Annahme von Jennifer Geerties. Knie- und Hüftwinkel sehen sehr gut aus, der Armwinkel sowohl zum Oberkörper als auch zum Zuspielort ebenso. Erkennbar ist hier auch, dass das Gewicht auf dem Vorderfuß liegt.

Bild 3: Lange Annahme von Jennifer Geerties

Bild 3 zeigt Geerties in der langen Annahme. Der Ball erreicht sie lang auf der rechten Seite. Um diese Situation zu lösen, öffnet sie leicht mit dem rechten Bein. Eine größere Öffnung wird bei hohen Aufschlagtempo nicht möglich sein. Knie- und Hüftwinkel lösen sich auf, die Armwinkel bleiben bei etwa 90 Grad und leicht geneigt zum Zuspielort. Da die Arme sich vor dem Körper befinden, wird Geerties den Ball vermutlich vor der Schulterachse gespielt haben.

Was das für das Training in der Jugend bedeutet

Die unter diesen Aspekten betrachtete Technik erscheint sehr unterschiedlich. Wichtig ist, dass das Aufstehen die Annahme im Profibereich sehr erschwert. Wie muss nun also trainiert werden, damit die Sportler/Innen aus der U13 und U14 kommend die richtige Technik erlernen? Immerhin bedeutet ein Wechsel in die jeweilige Altersklasse nicht automatisch eine extreme Zunahme der Aufschlaggeschwindigkeit. Diese steigert sich nur langsam, weshalb das Üben der späteren Annahmetechnik vermutlich kurz- bis mittelfristig keinen Erfolg vorweist. Allerdings wäre es zu spät, erst mit dem Üben der richtigen Annahmetechnik zu beginnen, wenn die Aufschlagqualität zugenommen hat. Das Anschauen von Videos der Erwachsenen oder Profis eignet sich hierfür gut. Anschließend sollten im Training verschiedenen Übungsformen geschaffen werden, in denen die Kinder den Unterschied zwischen beiden Annahmetechniken selbst spüren und lernen. Sie sollten dafür Übungen absolvieren, in denen sie viele Dankebälle spielen müssen. Zusätzlich sollte unter erleichterten Bedingungen die richtige Annahme erlernt werden. Hierfür kann der Ball von einem(r) Partner/In, senkrecht zum Netz stehend, angeworfen werden. Ein angeworfener Ball besitzt natürlich keine große Eigenenergie, weshalb der Ball bei richtiger Technikausübung nicht sonderlich weit gespielt werden kann.

Es ist hierbei nicht entscheidend, ob der gebaggerte Ball zum Zuspielort gespielt wird. Es handelt sich vorerst um eine verlaufsorientierte, nicht um eine resultatsorientierte Technik.

Der Ball soll schließlich nicht mit den Armen geschlagen werden.Das Resultat erfolgt erst später, vielleicht sogar erst Jahre später im Spiel. Um immer näher an eine adäquate Aufschlagsgeschwindigkeit heranzukommen, kann der/die Partner/In auf die andere Netzseite gehen und den Ball aus einer immer größeren Entfernung von oben scharf über das Netz werfen. Je älter und kontrollierter die Spieler/Innen werden, desto mehr können solche Bälle auch geschlagen werden.

Schaffung von Bewusstsein bei den Kindern ist sehr wichtig

Die Kinder müssen selbst verstehen, wann sie einen Ball mit wie viel Energie spielen müssen. Es muss also das Bewusstsein dafür geschaffen werden, diesen Unterschied selbst zu merken. Ziel muss sein, dass die Athleten im Wettkampf irgendwann so weit sind, den technischen Unterschied unterbewusst und den taktischen Unterschied bewusst wahrzunehmen. So, wie die Kinder lernen müssen, abhängig von der gegnerischen Angriffsart und des Angriffsortes die Position in der Abwehr zu finden, kann auch diese Fertigkeit erlernt werden. Dieses Ziel muss langfristig gesteckt sein, da es sich hier um eine komplexe Einschätzung handelt, die auch mit viel Erfahrung zu tun hat.

Am Anfang nimmt der/die TrainerIn von der Bank hier eine wichtige Rolle ein, indem er/sie dem Annahmespieler immer wieder verbal hilft und die Aufschlagcharakteristik verrät. Anschließend sollten die Annahmespieler, insbesondere der/die Libero/a, selbst in der Lage sein, nach der Erwärmung selbstständig zu entscheiden, wie die kommenden Bälle angenommen werden müssen.

Bei aller theoretischen Betrachtung muss immer darauf geachtet werden, dass die Annahme ein sehr komplexes Element im Volleyball ist, ohne das der Spielaufbau nicht funktioniert. Diese Tatsache macht sie psychisch so anspruchsvoll. Es muss also in jedem Fall, unabhängig von den verschiedenen technischen Ansichten der Trainer/Innen, ausnahmslos immer darauf geachtet werden, dass die Annahmespieler nicht zusätzlichen Druck durch die Trainer/Innen zu spüren bekommen. Die Trainer/Innen müssen sogar eine beruhigende und helfende Rolle einnehmen, um Selbstvertrauen und Ruhe in den Annahmeriegel zu bringen und keine zusätzliche Nervosität zu schüren.

Über den Autor
Paul Sens ist A-Trainer und Co-Trainer beim mehrfachen Deutschen Meister SSC Palmberg Schwerin in der 1. Volleyball-Bundesliga der Damen.


3 Kommentare

Heike · 10. November 2019 um 22:31

Die Ballwege zum Zuspielort sind allerdings in der U12-U13 noch wesentlich kürzer und ich habe die Erfahrung gemacht, dass sie den Ball auch ohne Armschlagen und mit Fuß- und Schulterausrichtung zum Zuspielort dorthin bekommen. Aber das mit der natürlichen, menschliche Bewegung über die Schulter ist schon interessant und wird wirklich automatisch angewendet, wenn der Ball mal von außerhalb des Feldes zurückgespielt werden muss. Das haben wir dann auch noch zusätzlich so trainiert ? Also eigentlich alles richtig gemacht…. Schöne Fotos!

Leo · 20. Februar 2020 um 14:31

Lieber Paul, wie siehst du die Formulierung: „Spielbrett in Richtung Zuspielort“ unter Einbeziehung des Einfall- und Ausfallwinkels?

    Paul · 23. Februar 2020 um 20:49

    Hallo Leo, danke für deine Frage! Damit meine ich, dass die Schulterneigung immer entsprechend des räumlichen Verhältnisses zum Zuspielort ausgerichtet sein soll. Als Beispiel: nimmt der Sportler einen Ball, der von Position 1 aufgeschlagen wurde, in Position 5 an und hält beide Schultern parallel, dann schaut sein Spielbrett quasi geradeaus. Damit würde er bei einem Kontakt den Ball geradewegs in die Richtung zurückspielen, aus der er kam. Um das Spielbrett in diesem konkreten Falle auszurichten, müsste die linke Schulter etwas angehoben und die rechte Schulter gegebenenfalls etwas abgesenkt werden. Ich hoffe, ich konnte weiterhelfen!

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